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GMCD 7385 – Carl Rütti – In Memoriam Silja Walter
Carl Rütti (organ), Badener Vokalensemble, Martin Hobi (choirmaster and conductor)
Musik & Theater – Dezember 2013
Eine der Stärken von Carl Rütti liegt darin, dass er musikalische Substanz mit einem sicheren Gefühl für konkrete Aufführungsbedingungen zu verbinden versteht. Ginge es nicht um Musik, könnte man salopp von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis sprechen. Dank dieser Tugend gerät auch ein Werk wie die Exodus-Messe, die bewusst für einfachere Verhältnisse konzipiert wurde, musikalisch gehaltvoll. Das zweite hier eingespielte Werk, der «Fries der Lauschenden», lässt den Chor fast durchwegs unisono singen und vertraut die harmonische und figurative Einkleidung der Orgel an. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die Aufgabe für den Chor anspruchslos wäre. Gerade die Beschränkung auf die eine Linie stellt in einem harmonisch bisweilen komplexen und aufgewühlten Umfeld hohe Ansprüche, weil die geringste Abweichung sofort hörbar würde. Das Badener Vokalensemble unter der Leitung von Martin Hobi, das sich schon verschiedentlich für die Werke Rüttis eingesetzt hat, löst die Aufgabe konzentriert und mit grosser musikalischer Stimmigkeit. Die vertonten Texte stammen aus der Feder der Benediktinerin Silja Walter, die sie als Meditationen zu Ernst Barlachs berühmter Skulpturengruppe geschrieben hat. Am Ende des Programms werden sie als Lesung von Silja Walter wiedergegeben; damit wird diese CD zu einem «In memoriam» für die 2011 verstorbene Dichterin.
Stephan Thomas
Tempo (Cambridge University Press), January 2013
Composer and organist Carl Rütti occupies a niche in Swiss music broadly similar to John Rutter and Howard Goodall in Britain. Rütti has ploughed a lone furrow amid modernist trends, his relatively conservative style achieving populist status through the quality of thought and expression. Born in 1949, he formed a lasting bond with English choral music while studying in London. Rütti’s Missa Angelorum was the only choral piece to be nominated (by me) in the Tempo ‘Masterpiece’ poll. Premiered in 2008, his Requiem was composed for the Bach Choir of London..
The new Rütti release from Guild pays tribute to a compatriot who became a nun, the writer Silja Walter (1919–2011). Walter figures as the reciter on a 1996 Herald recording of Rütti’s epic oratorio Verena, die Quelle. In her 85th year she made the spoken recording of nine texts for Rütti’s Fries der Lauschenden which rounds off the present disc. The ‘Frieze of Listeners’ has its origin in a set of nine wood sculptures by the Expressionist artist Ernst Barlach, ranging from ‘The Sensitive Man’ and ‘The Dreaming Woman’ to ‘The Man of Faith’ and ‘Expectant Woman’. The resulting song-cycle for unison choir and organ was suggested to Rütti and Walter by the conductor Martin Hobi.
In spite of the simple texture Rütti’s choral writing is not without its challenges, rhythmic and intervallic. The organ – a modern 28-stop instrument has been used – performs both a linking and a supporting function. Rütti has said how, like Barlach, he views the Fries der Lauschenden as a unified cycle, one where individual movements correspond to others in character, theme, rhythm and registration. Lasting 38 minutes in all, his settings of Walter’s poetic meditations sound consistently arresting. The CD booklet provides illustrations of the sculptures.
Exodus-Messe, dating from 1995–1996, is similarly plain in conception. Silja Walter started out from the notion that the biblical Book of Exodus foreshadows the New Testament gospels. Her libretto alternates spoken texts for three movements – ‘Kyrie’, ‘Halleluja’ and the intercessions – with sung German in the opening movement, ’Gloria’, ‘Sanctus’, ‘Agnus Dei’ and finale (after Communion). With Daniela Riedener as reciter, the singers and organist realise the author’s wish for music both colourful and mystical. Peter Palmer
Musik & Liturgie – November 2012
Mystisch, poetisch und ergreifend
Wer eine neu aufgenommene CD einlegt, weiss in aller Regel, was ihn erwartet. Im Fall von zeitgenössischen Komponisten ist dies eher die Ausnahme — es sei denn, eine Hörprobe im Geschäft habe zum Kauf angeregt. Welche Besonderheiten sind es, die im Fall der CD mit orgelbegleiteten Vokalwerken von Carl Rütti zum Kauf animieren?
Die «Exodus-Messe» für Gemischten Chor, Gemeinde und Orgel, zum 125-Jahr-Jubiläum des Kreiscäcilienverbandes Oberfreiamt 1995/96 geschrieben, vernetzt inhaltlich den alttestamentlichen Exodus-Bericht mit dem eucharistischen Mahl – eine «Erlösung» unter zweierlei scheinbar unterschiedlichen und dennoch korrespondierenden Gesichtspunkten. Carl Rüttis Komposition zeigt sich hier betont zurückhaltend mit dem Einsatz von Modernismen und (scheinbar) leicht in der Ausführbarkeit. Das Badener Vokalensemble unter der Leitung von Martin Hobi singt sich brillant, aber dennoch der liturgischen Funktion der Musik verpflichtet, durch die Partitur. Die gesprochenen Texte sind in ihrer Diktion sehr gut, allerdings verhältnismässig (zu) leise.
Der Schwerpunkt dieser neuen CD liegt auf der Einspielung der von Carl Rütti im Jahr 2003 vertonten neun Gedichte von Silja Walter (1919-2011) zum «Fries der Lauschenden» von Ernst Barlach (1870-1938) für einstimmigen Chor und Orgel. Rütti, welcher auf dieser CD den Orgelpart auf der Orgel der Evangelisch-Reformierten Kirchgemeinde Suhr gleich selbst interpretiert, giesst die mystischen Texte der Dichterin aus dem Kloster Fahr in absolut adäquate musikalische Gefässe, wobei die Orgel in den meisten Fällen die musikalische Grundfarbe malt, vor deren Hintergrund der einstimmige Chor – oft in Frauen- und Männerstimmen aufgeteilt — die Gedichte singend rezitiert. Bloss bei der letzten und neunten Figur («Die Erwartende») kommt kurzfristig Zweistimmigkeit auf. Wer sich in die Musik versenkt und dabei die abgebildeten Holzfiguren im Booklet betrachtet, kommt nicht umhin festzustellen, dass Figuren, Texte und Musik eine Einheit bilden — geschaffen von Künstlern, die sich im Geiste zweifelsohne ähnlich sind. Die Sängerinnen und Sänger des Badener Vokalensembles interpretieren die einstimmigen Kantilenen gekonnt und in einer berührenden Einfachheit. Das ist es wohl. Was diese neue CD auszeichnet: wer sich von mystischer Musik, Poesie und im Wortsinn Bildender Kunst angesprochen fühlt, dem eröffnet sich hier ein ergreifender Kosmos.
Christian Albrecht