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GMCD 7401 – Tango Organtino – Organ Music played by Martin Heini
Martin Heini (organ)
Klassik.com – 2.6.2014
Der Organist Martin Heini bringt der Orgel mit Tango, Rumba und Paso-doble das Tanzen bei. Manches gelingt vortrefflich, anders wird vom fülligen Klang zerdrückt.
Das Cover ist vielversprechend. Zwei Mohnknospen vis-a-vis, passend zum Titel ‚Tango Organtino‘, ein gelungenes Sprachspiel für Tango mit Orgel, mehr noch für die Annährung der Orgel an schwungvolle Rhythmen außerhalb der üblichen Kirchenmusik. Arrangements sind im Rahmen von Weltmusik und Stilfusionierungen inzwischen gang und gäbe. Deren Licht- und Schattenseiten zeigt diese bei Guild erschienene Produktion.
Mit 19 Titeln präsentiert Martin Heini ein ausgesprochen breitgefächertes Repertoire. Es reicht über Tango Argentino und Valse hinaus zu fröhlichen lateinamerikanischen Rhythmen mit Rumba und Paso doble und macht Abstecher zu Unterhaltungs-Klassik, Pop-Evergreens und Jazz. Ein schlüssiges Konzept, womit Martin Heini, zweifelsohne ein Meister der Orgel, sein breites Repertoire präsentiert und gleichzeitig den sakralen Raum für Sinnenfreude und Unterhaltungsmusik öffnet.
Martin Heini hält sich eng an die originalen Kompositionen. Weniger sein Spiel als die Arrangements sind zu hinterfragen. Musikalisch überzeugen vor allem jene Kompositionen, denen Raum gegeben wird für die Entfaltung der für den Musikstil typischen Melodiebögen und in denen auf die voluminöse Klangpracht der Orgel verzichtet wird.
Das gelingt gut bei den Tangos. Markiert durch die typischen Tangoakkorde ergeben sich, überstrahlt von leichteren Tangomelodien, interessante Varianten des Tango Argentino. ‘Florinda’ interpretiert Martin Heini mit derselben tänzerischen Beschwingtheit wie Andrés Laprida im Original. Auch die drei Stücke von Julien Bret kommen bestens zur Wirkung, nicht zuletzt weil Martin Heini die Dreiviertel-Takt-Walzerseligkeit sehr subtil durch tangonahe Akzente würzt. Temperamentvoll steigert er in den Wiederholungsschleifen den Kontrast zwischen tonaler Erdung in der Tiefe und Schweben in der Höhe, wobei er mit spielerischen Läufen den Drehorgeleffekt immer wieder reizvoll durchbricht.
Klingen allerdings grundlegende Rhythmikelemente und spanisches Klangflair wie in ‘Rumba sur les grands-jeux’ und ‘Paso-Doble sur DSCH’, beides von Pierre Cholley, oder Emma Lou Diemers ‘Fiesta’ nur kurz an und werden dann regelrecht ‚zugeorgelt‘, verliert ‚Tango Organtino‘ seine innovative Kraft. Viel zu schnell beginnt der Rumba, zu flüchtig sind die Akzente, weder transzendente Verinnerlichung noch sich wiederholende Drehorgelfetzigkeit treffen lateinamerikanisches Rumba-Temperament. Pasadoble-Rhythmik verliert sich vollkommen in sakralen Akkordik.
Zsolt Gardinis ‘Mozart Changes’ und Robert Prizemans ‘Songs of Praise’, bekannte Pop-Klassiker, bringen als Orgel-Kompositionen keine neuen Hörerlebnisse. Wesentlich peppiger sind die vier Popsongs von Michael Schütz. In ‘Welcome’, mehr noch in ‘Keep cool’ gewinnt fröhlich swingendes Lebensgefühl Oberwasser, das sich über ‘Impression’ melancholisch färbt und über ‘Straight Ahead’ nochmals steigert.
Der Clou, der musikalische Orgelhöhepunkt, kommt wie bei Verlassen der Kirche immer zum Schluss. Mit Johannes Matthias Michels ‘Three Jazz Preludes’ wählt Martin Heini groovende Kompositionen aus, vom ‘Swing’ über einen lässigen ‘Bossa Nova’-Sound bis zur mitreißenden ‘Afro-Cuban’-Tonalität, wobei die Orgel klanglich wie neu zum Leben erwacht.
Michaela Schabel
Kunst & Liturgie – 3/14
Exquisiter Hörgenuss
Orgel und Volksmusik schliessen sich keineswegs aus – das wissen wir seit Hannes Meyer. Orgel und Humor ebenfalls nicht. Martin Heini nun demonstriert auf seiner CD exemplarisch, dass sich die “Königin der Instrumente” auch die Krone leicht verdaulicher musikalischer Traditionen aufsetzen kann, ohne dabei ihr Gesicht zu verlieren oder Perlen aus ihrem gediegenen Kopfschmuck. Allerdings: leichtere Ausdrucksweisen bewegen sich auch oftmals an der Grenze zur Banalität. Die Auswahl der Stücke auf dieser CD umschifft diese Grenzziehung und bewegt sich glücklicherweise stets dort, wo sich ernstgemeinte, kompositorische Kunstfertigkeit und leichte Muse treffen. Das führt zu einem exquisiten Hörgenuss der ganz speziellen, der ganz anderen Art. Statt über Psalmen zu meditieren, ist hier ein frisch perlender Kir Royal angesagt. Martin Heini sei Dank.
ca
NDR.de – März 2014
Die Königin der Instrumente steht für Würde, Ernst und Feierlichkeit. Orgeln gibt es in Kirchen, in manchen Konzerthäusern und Stadthallen, selten auch mal in einer Schule – keine Gebäude, die man zuerst mit Spaß in Verbindung bringt. Daran hat auch der amerikanische Revoluzzer Cameron Carpenter bis jetzt noch nichts Grundlegendes verändert.
Ganz ohne schrilles Outfit und tanzende Performance versucht der Organist Martin Heini ein neues Publikum für dieses vermeintlich sperrige Instrument zu gewinnen. Sein neues Album trägt den Titel: “Tango Organtino – Rhythm and Groove for Organ”.
Hoher Körpereinsatz
Michael Schütz ist Kirchenmusiker mit A-Examen und Popmusiker. Gloria Gaynor, Klaus Doldinger und Chaka Khan sind nur einige der Stars, mit denen er schon Musik gemacht hat. Seine Stücke heißen “Keep Cool” oder “Straight Ahead”. Und mit solchen Ohrwürmern bringt Heini die Orgel der katholischen Pfarrkirche St. Katharina im schweizerischen Horw in rhythmische Wallungen.
Bunt und lebendig geht es zu in “La ronde de lutins” von Julien Bret. Zu diesen Klängen könnten Akrobaten ihre Kapriolen schlagen. Der Vergleich mit dem Zirkus trifft die Musik der CD ganz gut: Sie will unterhalten, amüsieren, ablenken vom Alltag. Doch bevor das gelingen kann, muss hart gearbeitet werden.
Die Orgel ist komplex und voller Mechanik und fordert vom Spieler höchsten Körpereinsatz: Während die Finger über die Tasten wirbeln und Register ziehen, tanzen die Füße auf den Pedalen. Der Organist muss das alles so selbstverständlich koordinieren, dass beim Zuhörer die musikalische Idee ankommt und nicht die Anstrengung.
Heini schafft das, er präsentiert die Stücke mit dem nötigen Charme: Die Walzer schwingen, die Jazznummern grooven, und der Tango geht in die Beine.
Großartige Kompositionen
Auch die Auswahl überzeugt. Neun Komponisten – bis auf John Rutter alle wenig bekannt – haben diese Stücke geschrieben. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern und Generationen. Die 1927 in Kansas City geborene Emma Lou Diemer ist die älteste Vertreterin, Julien Bret aus Frankreich mit knapp 30 der jüngste. Viele sind selbst Organisten und damit diesem Instrument besonders eng verbunden. Und alle beweisen mit ihren Kompositionen, dass sich Orgelspiel und Humor nicht grundsätzlich ausschließen.
Ulrike Henningsen
kultur-online.net – März 2014
Man muss schon ein wenig verrückt sein, und auch mutig, eine CD wie «Tango Organtino» (Guild GMCD 7401) aufzunehmen, denn normal ist das nicht! Normal ist, wenn die Königin der Instrumente, die Orgel, ernsthafte religiöse Musik zu den Gehören bringt. Und im besonderen gilt dies für die Queen de la Queen, nämlich für die große Kirchen- oder Kathedralorgel.
Robert Matthew-Walker schreibt im Booklet der CD, dass sich solch imposante Instrumente ausnahmslos an einem von zwei Orten finden, nämlich entweder in religiösen Gebäuden (Kirchen, Kathedralen, Kapellen), oder in Stadthallen (z.B. Rathäusern oder kommunalen Konferenzorten). Die Orgel, so Matthew-Walker, ist nicht beweglich, was sie zum einzigen Musikinstrument macht, das bauartbedingt nicht reisen kann.
Umso beweglicher ist der schweizer Organist Martin Heini, beweglicher nicht nur in örtlicher Hinsicht, sondern ganz besonders auch in musikalischer. Ein wenig verrückt eben, vom Gewöhnlichen, vom Üblichen abweichend. Was er der Goll-Orgel der Pfarrkirche St. Katharina im schweizerischen Horw entlockt ist unglaublich unreligiös. Rumba, Walzer, Paso-Doble, Bossa-Nova und auch Tango – in einer Kirche?! Ja! Martin Heini darf das nicht nur, er kann es! Und wie!
Neben dem Lehrdiplom für Orgel und Klavier sowie dem Kirchenmusikdiplom A erlangte er das Konzertreifediplom Orgel mit Auszeichnung. Professor Martin Heini (geb. 1968) ist Dozent für Klavier an der Pädagogischen Hochschule Luzern und Dozent für Orgel an der Hochschule Luzern-Musik. Dort war er von 1999 bis 2007 Leiter der Ausbildung Kirchenmusik C. Seit 1995 ist er hauptverantwortlicher Kirchenmusiker an der Pfarrkirche St. Katharina Horw und künstlerischer Leiter der Konzertreihe «Musik zu St. Katharina Horw».
«Tango Organtino» (Rhythm and Groove for Organ) zeigt wie wundervoll unterhaltsam, übermütig, wie voller Lebensfreude Orgelmusik sein darf und kann, auch in einer Kirche. Martin Heini ist ein wahrer Klangakrobat und Meister seines Intrumentes. Keine der Kompositionen dieser CD ist älter als 50 Jahre und all jene, die sie schrieben, sind quicklebendig und aktiv. So der 1952 geborene Franzose Pierre Cholley, der 1959 in Argentinien geborene Andrés Laprida, die Amerikanerin Emma Lou Diemer (*1927), der jüngste im Bunde: der französische Komponist Julien Bret (geboren 1974), der Ungar Zsolt Gárdonyi (1946) und der Brite Robert Prizeman (*1952).
Martin Heini zieht alle Register (wahrscheinlich nicht tatsächlich), flitzt über Tasten (oben) und Pedale (unten) und demonstriert, wie vergnüglich und munter Orgelmusik zu sein vermag. Für den Organisten und die Zuhörer!
Nein, normal ist das nicht! Aber genial!
Rosemarie Schmitt