GMCD 7273 – Frühlingsblüthen – Klaviermusik von Johann Carl Eschmann
Jeremy Filsell – Piano
To the CD in our Shop
Schweizer Musikzeitung Juni 2006
„Blüthen“ feinsinniger Kleinkunst
Wenig bekannt, lange eher verkannt, aber keinesfalls bedeutungslos: Es gereicht fast schon zur Ehre, wenn ein Pianist und Organist wie Jeremy Filsell den Schweizer Hochromantiker Johann Carl Eschmann (1826-1882) für sich entdeckt. Mit Wagner und Brahms war der nahezu vergessene Mendelssohn-Schüler befreundet. Doch auch wenn Eschmann das Geniale in deren Werken durchaus erkannte – und sich von ihm zumindest irgendwie inspirieren liess – war Eschmann kein «Jünger» von Wagner oder Brahms.
Was Jeremy Filsell an auserlesenen Werken eingespielt hat, ist schmeichelnd delikat. Es sind kostbare Miniaturen, die im Laufe des CD-Programms von einer wachsenden Individualität des Komponisten zeugen, sodass man zu sagen versucht ist: Eschmanns Klaviermusik muss Brahms wenig nachstehen. Während im ersten Stück der Lyrischen Blätter in Es-Dur (op.15) noch die Anziehungskraft von Brahms Musik spürbar ist, scheint der Grossmeister im zweiten Stück in G-Dur keine Spuren mehr zu hinterlassen.
Eschmann zeichnet sich in allen eingespielten Klavierwerken durch fein gesponnene Melodik aus. Die Klavierwerke sind wahre Stimmungsstudien und charakterstark. Jeremy Filsell, einer der wenigen virtuosen Klavier- und Orgelkünstler überhaupt, der eine Konzertkarriere aufzubauen vermochte, spielt Eschmanns Musik in absoluter Verschmelzung mit ihr. Er scheint sich geradezu vor dieser Musik zu verneigen, sodass man diese CD nur zögerlich aus dem CD-Player entfernt. Man kann nicht anders als Filsell: Man darf die Poesie und die technische Musikfertigkeit Eschmanns bewundern. Es ist Landschaften beschreibende Musik. Bezeichnend für klassische Romantik eben.
Christoph Greuter
Musik & Theater 6/7, Juni/Juli 2005 Klaviermusik
Schweizer Romantik
Zwischen den Liedern des Frühromantikers Friedrich Theodor Fröhlich und den Sinfonien von Hans Huber um 1900 blieb die musikalische Romantik in der Schweiz nicht stehen. Im Schatten ausländischer Komponisten wie Hermann Goetz, Theodor Kirchner und August Walter, die wichtige Positionen einnahmen, reiften die Schweizer Wilhelm Baumgartner, Friedrich Hegar, Gustav Weber und ein Winterthurer Musiker heran, dessen Schaffen kürzlich wieder entdeckt und bruchstückweise neu herausgegeben wurde: Johann Carl Eschmann (1826-1882), Kompositionsschüler von Mendelssohn am Leipziger Konservatorium und gleichzeitig ein ausgesprochener Schumannianer. Von diesen beiden Vorbildern geprägt sind die «Poesie-Blumen» op.1, die «Frühlingsblüten~ op.14, die «Lyrischen Blätter» op.12 und op.15 sowie weitere Charakter- und Fantasiestücke. Jeremy Filsell macht auf erfrischende Weise mit Kostproben daraus bekannt, die Appetit auf die ganzen Zyklen und auf weitere Werke dieses mal lyrisch-verträumten, mal verspielten und heiteren Romantikers wecken.
Walter Labhart
Der Landbote, Winterthur, 19.03.05
Dieses pianistisch besonders anspruchsvolle Charakterstück liegt auf einer CD-Veröffentlichung (Guild GMCD 7273) vor, die ausschliesslich Klaviersolostücke Eschmanns enthält. Der Engländer Jeremy Filsell hält in beherzt lebendiger und stellenweise lyrisch verträumter Darstellung eine Auswahl fest, die unter dem Motto «Frühlingsblüthen» 17 vorwiegend frühe Stücke vereinigt. In seinem Booklet-Text vertritt Robert Matthew-Walker die Ansicht: «Die Klaviermusik dieser Einspielung stellt eine repräsentative Auswahl aus Eschmanns Werk dar.» Zu einer solchen fehlt aber trotz der effektvoll brillanten Caprice-Etude op. 36 und zahlreichen Kostproben aus den «Poesie-Blumen» op. 1, den Tonbildern «Was einem so in der Dämmerung einfällt» op. 8, den «Frühlingsblüthen» op. 14 und aus den «Lyrischen Blättern «op. 12 und op. 15 recht viel, vor allem späte, stilistisch mit Theodor Kirchner verwandte Kompositionen oder der Brahms gewidmete Zyklus «Licht und Schatten» op. 62 aus dem Jahr 1878.
Walter Labhart
Intern. Piano 07/08 2005
This is the kind of review that has to begin with an introduction to the composer (I hadn’t heard of him ether), for which I m indebted to the booklet essay of Robert Matthew-Walker, who has plainly done his homework. In brief, Johann Karl Eschmann was born into a musical family in Winterthur in 1826, studied with Mendelssohn and Moscheles in Leipzig, and got to know Wagner in his Zurich exile. It was in Zurich that he spent the rest of his life, as pianist, composer and orchestral and choral conductor; he died in 1882.
Matthew-Walker doesn’t date any of the pieces here (because, I suspect, the Scores don’t offer him that Information), which is a pity: it would have been interesting to speculate an what Eschmann might have heard before he sat down to writing. The Lisztian manners of the opening Caprice-Étude, for example, even point ahead to Busoni – who may (who knows?) have encountered the piece during his own exile in Zurich during the First World War. But now the programming wrongfoots you. The Caprice-Étude was written, if the opus number is any guide, rather later than the rest of these pieces, and suddenly we revert to Eschmann’s Op.l, where the dominant influence is Mendelssohn, increasingly refracted through Schumann – though one hears echoes also of Chopin and Brahms. At one point, coming back into the room during one of the Op.8 `twelve characteristic tone-pictures’ What occurs to you at dusk (he liked his long-winded titles, did Eschmann), having momentarily forgotten what I had left playing, I did a quick double-take and wondered when I had put an a CD of Liszt Works. A few minutes later the same mistake might have suggested the Liszt transcription of Schumann’s Zueignung.
Even if Eschmann’s own creative personality remains hidden behind those of his larger contemporaries, his music is nonetheless a joy to discover, full of felicitous invention, written with complete command of the keyboard – piano music as idiomatic as this could be written only by a composer who himself was a player of the highest order. Anyway, if you are going to sound like someone else, the five greatest Romantic composers for the piano aren’t a bad choice – and invoking their names gives some indication of the sheer quality of Eschmann’s music.
Though Eschmann may not be a stormer of barns (he’s too well-behaved for that), he does demand a virtuoso technique, and Jeremy Filsell’s magnificent playing finds that elusive halfway-house between authority and natural fluidity, and he makes as convincing a case for this music as we are ever likely to hear. The recording, by Michael Ponder, offers clarity of tone in a resonantly warm environment. Altogether a fine disc.
Martin Anderson
Neue Züricher Zeitung – 3 Januar 2005
Neujahrsstück der Zentralbibliothek Zürich
Das „üth“ im Titel riecht nach Vergangenheit. „Frühlingsblüthem“ sind acht Fantasiestücke für Klavier, die 1851/52 im Verlag Luckhardt in Kassel erschienen sind. Geschrieben wurden sie vom 1826 in Winterthur geborenen und 1882 in Zürich gestorbenen Komponisten Johann Carl Eschmann. Die Zentralbibliothek Zürich, in deren Musikabteilung der Nachlass Eschmanns liegt; gibt als Neujahrsstück 2005 eine CD mit Klaviermusik des weitgehend vergessenen Komponisten heraus. Die Zentralbibliothek greift damit die eingeschlummerte Tradition ihrer Neujahrsblätter in zeitgemässer Form wieder auf. Bis 1939 war es Brauch, am 2. Januar, dem Bächtelistag, eine Druckschrift, ein grafisches Blatt oder einen Musikdruck herauszugeben.
Johann Carl Eschmann gilt, trotz seiner Nichtexistenz im heutigen Musikleben, neben Theodor Fröhlich als der wichtigste Schweizer Vertreter der Romantik. Nach seinem Studium bei Mendelssohn am frisch gegründeten Konservatorium in Leipzig wirkte Eschmann in Zürich und in Winterthur als Pianist, Pädagoge und Komponist. Während Wagners Zürcher Exil zählte Eschmann zu dessen engerem Freundeskreis, und später lernte er hier auch Brahms kennen. In seinen Kompositionen – erschuf Lieder, Kammermusik und Klavierwerke – lehnte er sich vorwiegend an Mendelssohn und Schumann an.
Die Feststellung von Robert Matthew-Walker, die vorliegende Einspielung stelle „eine repräsentative Auswahl“ aus Eschmanns Klavierwerk dar, trifft nicht zu. Alle ausgewählten Kompositionen stammen aus den 1850er Jahren, von den späteren Werken ist keines vertreten. Man vermisst zum Beispiel den 1878 entstandenen und Brahms gewidmeten Zyklus „Licht und Schattem“ op. 62, der im Booklet „als sein vielleicht fortschrittlichstes Werk“ bezeichnet wird. Drei der sechs eingespielten Klavierzyklen, darunter „Frühlingsblüthem“, sind nur in Teilen aufgenommen. Dennoch kann der Hörer in der Wiedergabe des englischen Pianisten Jeremy Filsell entdecken, dass diese Charakterstücke Eschmanns sich nicht im Epigonentum erschöpfen, sondern auch eine eigenständige Handschrift des Komponisten verraten. Als Beispiel seien die „Lyrischen Blätter“ op. 15 erwähnt, die der Pianist mit poetischem Einfühlungsvermögen spielt.
Thomas Schacher